Neue Sicht auf die Schweizer Künstlerin Martha Haffter (1873-1951)
Selbstporträt, o. J. Öl auf Papier, 35 x 27,5 cm. Privatbesitz. (Foto: Monica Seidler-Hux)
"C'est un superbe hommage dédié à cette femme, dont le travail est impressionnant de simplicité
picturale, et de la lumière qu'elle apporte dans ses paysages." (Ein Leser aus Strassburg)
Ein Künstlerinnenleben im Spannungsfeld
von Tradition und Moderne
Die Schweizer Kunstmalerin Martha Haffter (1873–1951) war einst trotz Vorurteilen und Widerständen ausgezogen, um sich professionell der Malerei zu widmen. Erst mit 27 Jahren durfte sie zunächst an der Damen-Akademie in München schnuppern, dann ein Jahr lang in Basel Porträtmalerei und Aktzeichnen studieren. Anschliessend reiste sie wie viele Schweizer Kunstschaffende nach Paris, wo sie Kurse an der Académie Julian, der Académie Vitti und der Académie de la Grande Chaumière besuchte.
Pariser Aktstudien in einem Skizzenheft aus dem Nachlass der Künstlerin, o. D. Bleistift und Aquarell auf Papier, 24 x 31 cm. Kunstmuseum Thurgau. (Foto: Stefan Rohner)
Die kunsthungrige, kultivierte und belesene Regierungsratstochter schloss sich um 1900 jener anderen Moderne an, die abseits der Avantgardismen eine poetische realistische Malerei in der Nachfolge von Camille Corot und Eduard Manet pflegte und ihr unmittelbares Lebensumfeld in Gemälde von stiller Grösse und Innerlichkeit zu übertragen suchte.
Das baumbestandene Algissergebiet in Frauenfeld war Martha Haffters Fontainbleau: Kühe im Algisser, um 1905. Öl auf Leinwand, 41,5 x 98,5 cm. Privatbesitz. (Foto: Monica Seidler-Hux)
Ab 1902 zeigte Martha Haffter im Kunstverein Winterthur ihre Porträts, Stillleben, Kinderszenen und Landschaften. 1905 gab sie im Künstlerhaus Zürich ihr Debüt, 1906 am traditionellen Pariser Salon des artistes français. Ihr künstlerisches Schaffen spielte sich während fast 40 Jahren zwischen zwei äusserst gegensätzlichen Städten ab: einerseits in der übersichtlichen Kleinstadt Frauenfeld im Thurgau, ihrem Heimatort und ihrer Landschaft, andererseits in der Kunstmetropole Paris, wo sie sich lebenslang inspirieren liess.
Die sogenannten "Kastanienbilder" gehörten zu ihren Verkaufsschlagern: Brunnen auf der Oberen Promenade, 1945. Öl auf Karton, 20,5 x 34,5 cm. Privatbesitz. (Foto: Dan Saladin)
Neben Adolf Dietrich, Ernst Kreidolf, Carl Roesch, Hans Brühlmann und Helen Dahm zählte Martha Haffter in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den bekanntesten Thurgauer Kunstschaffenden und erlangte wie diese zu Lebzeiten überregionale Bekanntheit. Trotz ihrer grossen Produktivität und ihrer jahrzehntelangen Beteiligung an Kunstausstellungen nicht nur in der Schweiz, sondern vor dem Zweiten Weltkrieg auch in Deutschland und Frankreich geriet Martha Haffter jedoch bald nach ihrem Tod in Vergessenheit. Ein Schicksal, das zahlreiche eher konservative und gemässigt moderne Kunstschaffende mit ihr teilten.
H wie Haffter und Hodler: Martha Haffters Exponat Nr. 175, Portrait eines jungen Mädchens im Katalog der Nationalen Kunstausstellung in Basel 1908, an der auch Ferdinand Hodler mit zwei Landschaftsgemälden (Nr. 194–195) teilnahm.
Buchveröffentlichung im Herbst 2023
Es ist höchste Zeit, Martha Haffters wunderbare Bildwelten in einer wissenschaftlich fundierten und reich bebilderten Publikation der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren: von den abbildtreuen Porträts, impressionistischen Landschaften und Stillleben der Anfangszeit über ihre dekorativen Kinderfriese, lichterfüllten Interieurs und sonnigen Badeszenen bis zum skizzenhaften Spätwerk.
Die anlässlich ihres 150. Geburtstags 2023 im Verlag Benteli erschienene Monografie "Martha Haffter - eine Schweizer Künstlerin zwischen Peripherie und Paris" zeigt auf, was es um 1900 bedeutete, wenn eine Bürgerstochter die Malerei zum Beruf machen wollte, wie die Künstlerin ihren ganz eigenen Stil entwickelte, welchen Sujets sie sich widmete und wie ihre Kunst über die Jahre rezipiert und beurteilt wurde.
Mädchenspiele, 1918. Kinderfries in Kohle und Pastell, Masse und Verbleib unbekannt. (Foto: Jakob Bär, Stadtarchiv Frauenfeld)
Als Forschungsgrundlage aus erster Hand dienten die zahllosen Gemälde und Zeichnungen der Künstlerin in öffentlichen Sammlungen und in Privatbesitz, ihre Tagebücher zwischen 1901 und 1946 sowie weitere Lebensdokumente, Fotografien, Ausstellungskataloge, Zeitungsartikel, Interviews mit noch lebenden Kindermodellen und Zeitgenossen und mit ihrem Neffen Fritz Wartenweiler jr. (1919-2013).
Im Kindergarten und in der Primarschule von Frauenfeld fand Martha Haffter über Jahrzehnte ihre Modelle: Mädchen mit Kochherd, 1918. Bleistift auf Papier, 27,5 x 22 cm. Skizzenheft in Privatbesitz. (Foto: Stefan Rohner)
Damit ist die Quellenlage aussergewöhnlich dicht für ein «Frauenschicksal». Sie erlaubt es, Martha Haffter in der Kunstgeschichte besser zu verorten und ihren unterschätzten künstlerischen Beitrag neu zu werten. Ihr Leben wird damit zum Modellfall einer Schweizer Künstlerin im Spannungsfeld von Tradition und Moderne, von Peripherie (Frauenfeld) und Kunstmetropole (Paris).
Die aufwändige Publikation war nur realisierbar dank der freundlichen Mithilfe zahlreicher BildbesitzerInnen, ArchivarInnen und Museumsmitarbeitenden sowie grosszügigen Förderbeiträgen des Kantons Thurgau / Lotteriefonds, der Stadt Frauenfeld und des Kulturpools Regio Frauenfeld, der Gemeinde Weinfelden und des Kulturpools Mittelthurgau, der Ernst-Göhner-Stiftung, der TKB-Jubiläumsstiftung, der Schweizerischen Gesellschaft für Symbolforschung, der Dr.-Heinrich-Mezger-Stiftung, der Elisabeth-Weber-Stiftung, der Thurgauischen Kulturstiftung Ottoberg und privater Gönner.
Zur Autorin
Monica Seidler-Hux, Kunsthistorikerin, Germanistin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Handschriftenabteilung der Zentralbibliothek Zürich, hat bereits ihre Masterarbeit an der Universität Zürich der Rekonstruktion von Martha Haffters Leben und Schaffen gewidmet und mit der grossen Retrospektive im Kunstmuseum Thurgau 1999/2000 die Wiederentdeckung der nahezu vergessenen Künstlerin ermöglicht. Nach der Biografie und Briefedition Gottfried Kellers feuriger Freund - Johann Ulrich Müller. Romanfigur, Baumeister und Kartograf der USA (2020) hat sie nun eine längst fällige, reich bebilderte Monografie über die Thurgauer Kunstmalerin zusammengestellt.
Publikationen und Anlässe zu Martha Haffter 2023-2024
Im Jahrbuch Unser Thurgau 2023 erschien ein Beitrag von Monica Seidler-Hux zu Martha Haffters 150. Geburtstag mit einem biografischen Abriss.
Als Gast-Autorin stellt sie Martha Haffter im Harenberg-Kunst-Kalender am 8. Mai 2023 - ihrem 150. Geburtstag - mit dem grossformatigen Figurenbild Badeanstalt aus dem Kunstmuseum Thurgau vor.
Am 17. Mai 2023 präsentierte sie auf der Titelseite der Frauenfelder Woche (fortgesetzt auf Seite 12) eine Würdigung zum 150. Geburtstag mit vier Frauenfelder Impressionen, einem Selbstporträt und einer Fotografie der Künstlerin (Ausgabe 20, Paris in Frauenfeld).
Im Juni 2024 veröffentlichte János Stefan Buchwardt auf ThurgauKultur.ch unter dem Titel Zwei starke Frauen ein ausführliches Interview mit der Autorin und einen Einblick in die neue Monografie.
Am 31. August 2024 fand im Kunstmuseum Solothurn im Rahmen der Ausstellung über Amanda und Oskar Tröndle-Engel die Veranstaltung Wiederentdeckt! Künstlerinnen, ihre Biografien und ihr Werk mit den Kunsthistorikerinnen Monica Seidler-Hux und Stefanie Christ und der Autorin Mara Meier statt, an der die wiederentdeckten Künstlerinnen Martha Haffter und Helene Roth vorgestellt wurden.
Im Oktober 2024 erschien in der Zeitschrift Librarium (II/2024) der Schweizerischen Bibliophilen-Gesellschaft Monica Seidler-Hux' Artikel Künstlervita auf Nebenschauplätzen. Zur Wiederentdeckung und Neubewertung der Künstlerin Martha Haffter (1873-1951) mit 30 Abbildungen.
Am 27. November 2024 präsentierte sie die Thurgauer Künstlerin im Schweizerischen Institut für Kunstwissenschaft (SIK-ISEA) in Zürich unter dem Motto Archives on Stage einem interessierten Fachpublikum.
Neben den Kinderfriesen gehörten Badebilder zu Martha Haffters eigenständigsten Schöpfungen: In der Badeanstalt, um 1925. Öl auf Leinwand, 64 x 53 cm. Kunstmuseum Thurgau. (Foto: Stefan Rohner)
Blick ins Buch
Es ist so weit! Zusammen mit der Autorin haben die Editorin Friederike Christoph vom Verlag Benteli und die Grafikerin Michaela Prinz ein sehr ansprechendes, grosszügiges Layout erstellt. Das 336 Seiten starke Buch wurde im Herbst 2023 veröffentlicht.
Werkverzeichnis - melden Sie Ihre Haffter-Bilder!
Monica Seidler-Hux führt ein (nicht öffentliches) Werkverzeichnis zu Martha Haffter und dankt allen BildbesitzerInnen, die ihr Informationen und Fotografien zu noch nicht erfassten Gemälden, Zeichnungen und Skizzenheften mitteilen. Gesucht werden besonders frühe Werke, Kinderfriese in Kohle und grossformatige Badebilder. Alle Angaben werden vertraulich behandelt und dienen allein der weiteren Erforschung von Martha Haffters künstlerischem Schaffen. Vielen Dank für Ihre Mithilfe!
Martha Haffter im Internet
Weblinks (die Autorin übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der folgenden Websites):
Arthistoricum.net
Genossenschaft Guggenhürli Frauenfeld
Historisches Lexikon der Schweiz
Kunstmuseum Thurgau, Kartause Ittingen
SIKART, Online-Künstlerlexikon
ThurgauerFrauenArchiv, Staatsarchiv Thurgau
Wikipedia
WorldCat
Info zum Buch
Überall im Buchhandel erhältlich.
Monica Seidler-Hux:
Martha Haffter (1873-1951) - eine Schweizer Künstlerin zwischen Peripherie und Paris.
Verlag Benteli 2023.
Hardcover, 336 S., 390 Abb.
ISBN Print 978-3-7165-1877-9
> Link zur Verlagsvorschau
Paris in Frauenfeld - neue Sicht auf das Werk der Künstlerin Martha Haffter
Die Buchvernissage mit Vortrag fand am 5. Oktober 2023, 18 Uhr im Rathaus Frauenfeld statt.
Organisatorin: Historisches Museum Thurgau.
> Link zur Veranstaltungsseite
« Vorheriges Projekt Nächstes Projekt »